Vermächtnis der Söldner
Seit 650 Jahren wird in der Schweiz mit Karten gespielt. Diese Tradition ist fast so alt wie die Schweiz selbst. Die Verbreitung der Karten in den Alpenländern wird auf die Reisläuferei
zurückgeführt. Buchautor und Kartenkenner Sergius Golowin schrieb: "Das einzige, was man in diesem babylonischen Sprachgewirr aneinander begriff, war die gemeinsame Leidenschaft für jedes
verwegene Spiel. Die Karten schufen deshalb unter den Glücksrittern aus Ost und West so etwas wie einen gemeinsamen Nenner." Was die damaligen Blätter mit ihren unterschiedlichen Bildsymbolen mit
den heutigen gemeinsam hatten, war ihre Einteilung in vier "Farben". Doch woher kommt das Kartenspiel? Seine Eltern sind offensichtlich der Würfel und das Schach. Entstanden ist das geniale Spiel
indessen im Dunkel der Anonymität, kein Land und keine Geistesgrösse kann sich seiner Erfindung rühmen. Peter F. Kopp, Kulturhistoriker und Spielkarten-Spezialist, nannte sie "eine Kulturleistung
des Volkes für das Volk".
Spiel ohne Grenzen
Die erste Nachricht über das Kartenspielen vermittelt uns ein Spielverbot in Bern von 1367. Zehn Jahre später beschreibt ein Dominikaner, der Johannes von Rheinfelden genannt wird, das
Kartenspiel. Es umfasst vier Könige, von denen jeder ein Symbol trägt. Zu jedem König gehören zwei Marschälle, wovon der eine ein Zeichen erhoben (Ober), der andere hängend (Under) in der Hand
hält. Dazu kommen je zehn Zählkarten, womit das Spiel insgesamt 52 Karten aufweist. Schon 1389 belegte auch die Schaffhauser Obrigkeit das Kartenspielen mit einem Verbot. Dem Spiel wohnten
offensichtlich Kräfte inne, die Leidenschaften weckten und damit zu hohen Einsätzen und Schlägereien verführten, was ganze Familien ins Unglück stürzen konnte. Als sich 1529 in Schaffhausen der
reformierte Glaube durchsetzte, übernahm die puritanische Geistlichkeit den Kampf gegen den Spielfanatismus. Nun folgten sich die Gebote, Verbote, Bussen und sogar Verbannungen Schlag auf Schlag.
Aber es waren Schläge ins Wasser, die "Spielsucht" war stärker und trieb immer neue Blüten. Dies vor allem in der Sprache der Pfarrherren, die unentwegt versuchten, das "zoutrinken, fressen,
dantzen und spielen" mit drastischen Worten "usszuofägen". Das eigentliche Jassen dürfte gegen Ende des 18. Jahrhunderts mit den Söldnern aus Holland "eingewandert" sein. Im Holländischen heisst
der Trumpfbauer nämlich "Jas", und auch das "Nell", die zweithöchste Karte, ist in Holland beheimatet. Erstmals kann das Wort "Jassen" in der Schaffhauser Gemeinde Siblingen belegt werden. Im
Viehhändlerdorf scheint die Kartenspielerei besonders um sich gegriffen zu haben, jedenfalls wetterte der dortige Pfarrer Balthasar Peyer von der Kanzel herab verbittert dagegen, dass "öfters
ganze Nächte hindurch sowohl an Sonn- und Werktagen ohnaufhörlich gespielt" werde.
Die Unschuldigen vom Land
Als alles nichts nützte, verzeigte er 1796 einige Bauern, die er im Gemeindehaus beim Spielen ertappt hatte, beim Rat in Schaffhausen. Die Hauptsünder Max Tanner und Sebastian Weber wurden zum
Verhör vorgeladen. Dabei gestanden sie, "um ein Glas Wein" ein Spiel gespielt zu haben, "welches man das Jassen nenne, ein mehreres werde man ihnen nicht zur Last legen können". Der Rat liess es
bei einer "ernsthaften Verwahrung, sich des Spiels zu entmüssigen", bewenden.